Wolfszorn by Ulli Schwan

Wolfszorn by Ulli Schwan

Autor:Ulli Schwan
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Paranormal
veröffentlicht: 2014-06-07T22:00:00+00:00


30 |

Nach Jankos Initiation wurde Pal verstockt. Er tat immer noch seine Arbeiten, hielt sich aber ansonsten abseits von uns, grübelte und schmollte. Ich sah Csilla zum ersten Mal hilflos – alle Versuche, mit ihrem Sohn zu sprechen, scheiterten. Die Stimmung in der Sippe war gedrückt, denn auch Elias fand keinen Zugang zu Pal. Ich hielt mich aus all dem raus; ich hätte auch gar nicht gewusst, was zu tun war. Janko, der ohnehin kein Wort zu viel sprach, wechselte nicht eines mit Pal, und auch wenn ich nicht recht schlau aus ihm wurde, schrieb ich das weniger seiner Schweigsamkeit, als vielmehr seinem Unwillen zu, mit jemandem Kontakt zu haben, der kein Mondwandler war. Tamas beobachtete die Versuche der Eltern, mit ihrem Kind zu reden, sprach hin und wieder mit ihnen, aber keiner der drei zog mich ins Vertrauen, was genau sie besprachen. Glücklich sah niemand von ihnen aus.

Es war eine große Überraschung, als Tamas eines Tages verkündete, wir sollten nach Taschkent reisen, der Hauptstadt Usbekistans mit an die zwei Millionen Einwohnern. »Dort wartet ein weiterer Mondwandler auf uns«, erklärte er.

Csilla wurde unruhig. »Wir bleiben doch am Stadtrand.«

»Das weiß ich nicht«, gab Tamas ruhig zurück. »Unser neuer Freund zieht durch die Stadt, so wie wir durch das Land. Ich weiß noch nicht, wo wir ihn treffen.«

»So ein große Stadt ist gefährlich«, sagte Csilla. »Wir kennen uns nicht aus. Ich war noch nie in einer Großstadt.«

Da ich auf meinen Reisen schon Städte wie Rio, Bombay und Hamburg gesehen hatte, versuchte ich sie zu beruhigen. »Ich weiß, wie wir uns verhalten müssen, um nicht aufzufallen. Das wird schon gut gehen.«

Auch das konnte sie nicht beruhigen und ich wusste nicht, warum. Erst als Elias sie in den Arm nahm, verstand ich, denn er sagte: »Pal wird uns nicht verlassen. Wir sind seine Familie, nicht irgendwelche fremden Menschen.«

»Das gebe Gott«, flüsterte Csilla.

Wir brachen am nächsten Morgen auf. Durch Turkmenistan Richtung Osten, quer durch Usbekistan bis an dessen Nordostzipfel. Es dauerte drei Monate; Monate voller Anspannung und Unsicherheit.

Eines Tages kam Pal zu mir, als ich eine Naturpause eingelegt hatte und wir beide gut fünfzig Meter von den anderen entfernt standen. Die beiden Laster standen schräg am Rand von der Piste, die man hier Straße nannte. Tamas stand da, das Kinn hoch die Gegend überschauend, an seiner Seite der treue Janko. Am zweiten Laster überprüfte Elias den Reifendruck. Csilla konnte ich nicht sehen.

Pal sah auf seine Schuhspitzen. Die Kleider an seinem Leib waren gut zwei Nummern zu klein, er wuchs schneller als wir ihm Klamotten beschaffen konnten. Er legte seinen Kopf schräg und sah zu mir auf. »Tamas erzählt, du hast die Leute umgebracht, die euch gefoltert haben.«

Ich runzelte nur die Stirn. Sagte nichts. Wartete, was der Junge wollte.

»Da warst du aber ein Mensch, kein Wolf. Stimmt doch, oder?«

»Ja.«

»Woher kannst du das?«

»Hab ich auf der Straße gelernt.«

»Kannst du es mir beibringen?«

»Was soll ich dir beibringen?«

»Menschen zu töten. Dann wäre ich wie ihr. Ein Jäger.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Klar, ich bin für nichts gut!«, maulte Pal und wollte weglaufen.



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